Seid laut! Für ein politisch engagiertes Christentum

Autor/in
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Die großen Kirchen in Deutschland sind politisch. Regelmäßig erheben sie – sehr oft in ökumenischer Eintracht – ihre Stimme zu aktuellen Themen, um die christliche Sicht einzubringen. Oft bei Umweltthemen und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. In letzter Zeit vermehrt in Flüchtlingsfragen.

Nicht allen, auch nicht allen Christen, gefällt, was die „Kirchenoberen“ da zu sagen haben. Immer wieder kommt der Appell, die Kirche möge sich doch zurückhalten und sich um „das Eigentliche“ kümmern, also um das Seelenheil der ihr anvertrauten Menschen. Ist das wirklich getrennt zu haben von den Fragen nach einem menschenwürdigen Leben, nach Bewahrung der Schöpfung, nach Gerechtigkeit und nach Schutz von Menschen auf der Flucht?

Burkhard Hose, katholischer Studentenpfarrer in Würzburg, ist seit vielen Jahren hoch engagiert in all diesen Fragen  des Zusammenlebens von Menschen, der Politik und deren Gestaltung. Immer wieder wird er für dieses Engagement angegriffen und heftig kritisiert. 

In seinem Buch „Seid laut!“ hält er ein engagiertes Plädoyer dafür, sich einzusetzen für andere. Und er begründet das überzeugend biblisch und am Vorbild Jesu. Er begründet vieles auch persönlich-biographisch, erzählt vom Elternhaus und von Menschen, die ihn geprägt haben. Das macht dieses Buch zu noch viel mehr als einer theoretischen Abhandlung darüber, ob es nun geboten sei, dass Christen sich einmischen. Das macht dieses Buch zu so etwas wie einem ganz persönlichen, flammenden und überzeugenden Glaubensbekenntnis.

(Ich erlebe …) in regelmäßigen Abständen, dass ich – wenn ich zum Beispiel dieses vielfältige Engagement von Studierenden würdige – gefragt werde: „Und wie viel Kapazitäten haben Sie in Ihrer Tätigkeit für das Eigentliche?“ Mit dem „Eigentlichen“ sind dann häufig gottesdienstliche Angebote, Glaubensgespräche oder Bibelkreise gemeint. Als sei soziales und politisches Engagement in einer Hochschulgemeinde so etwas wie die Spielwiese neben dem „eigentlich Christlichen“. (S. 18)

Ein großes Vorbild für ihn – wie für viele politisch engagierte Christen – sind die alttestamentlichen Propheten, die schon damals „Recht und Gerechtigkeit“ forderten, die schon damals, vor über zweitausend Jahren, die Herrschenden dafür kritisierten, dass sie die Armen und die „Fremdlinge“ unterdrückten. „Recht und Gerechtigkeit“ forderten die Propheten und kritisierten aufs Schärfste den abgehobenen Gottesdienstbetrieb, solange die sozialen Fragen nicht gelöst seien. Die Propheten damals forderten eben nicht, dass alles gleich bleiben sollte – sondern Veränderung, Erneuerung.

Es ist an der Zeit, dass wir jetzt wieder diese prophetische Tradition in den christlichen Kirchen aus der verstaubten Erinnerung in die Gegenwart holen. Es gibt so viele Menschen, die wach und sensibel in unserer Gegenwart leben. Sie haben eigentlich eine Botschaft auszurichten, aber sie trauen sich nicht oder überlassen es lieber anderen. (S. 52/53)

Religion – das ist eben nicht Bewahrung des Alten, insbesondere nicht der Unterschiede zwischen den Menschen. Religion ist nicht bequem, der christliche Glaube „kein Kuscheltier“. Hose zieht den bekannten Satz von Johann Baptist Metz heran: Religion ist Unterbrechung. 

Bei Religion denken viele immer noch an gute alte Tradition, an das ewig gleiche. Mit diesem gängigen Klischee bricht Metz, wenn er sagt, dass Religion eben gerade nicht nur die Bestätigung, sondern die Unterbrechung des Gewohnten sei. (…) Die Christen könnten die Stimme sein, die das Lärmen der Populisten unterbricht und etwas in der Gesellschaft zur Sprache bringt, was nicht mehr gesagt und gedacht wird.“ (S. 67/68)

Und was sagt Jesus dazu? Auch er predigte die Erneuerung. Die Umkehr. Er war bei den Ausgestoßenen. Er ging an „unheilige Orte“, so eine Kapitelüberschrift. Er brachte immer wieder das Verhältnis von Armen und Reichen, von Benachteiligten und Privilegierten auf den Tisch. „Jesus verkündete nicht weniger als eine neue Gesellschaftsordnung“ (S. 119). Diese Menschen, an die Jesus sich wandte: Die findet man bis heute wenig in den Kirche. Die findet man auf der Straße. Und so plädiert Burkhard Hose dafür, hinauszugehen. Sich ins Bahnhofscafé zu setzen und die eigene Predigt daraufhin zu überdenken, ob sie für diese Menschen passt. Und sich vor allem klarzumachen, dass Jesus ganz klar und deutlich auf der Seite dieser benachteiligten Menschen steht „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“ (Mt. 25, 31-46) Und nun kommen diese Menschen in Scharen zu uns und machen die Unterschiede sichtbar. Machen deutlich, dass unser Reichtum mit ihrer Armut im Zusammenhang steht:

Sie stehen sichtbar auf unseren Bahnhöfen. Menschen auf der Flucht stellen ganz konkret mit ihrer Anwesenheit die alte Ordnung, nach der die einen sicher und im Reichtum leben und andere unter Krieg, Verfolgung oder Armut leiden, sichtbar in Frage. Ein Teil der Abwehr gegenüber Menschen auf der Flucht, wie wir sie im Augenblick erleben, ist genau auf dieses Sichtbarwerden der Benachteiligung zurückzuführen. (S. 122)

Ganz deutlich wird in diesem Buch die Position von Burkhard Hose, die übrigens auch meine ist: christlicher Glaube kann nichts fürs „stille Kämmerlein“ sein. Glaube, der sich nur aufs eigene „Innere“ bezieht, ist kein Glaube, wie Jesus ihn uns vorlebt. Das Engagement für die Schwachen ist ganz grundlegend für unseren Glauben. Und darum müssen wir den Mund aufmachen und müssen handeln. Überall da, wo Menschen unterdrückt werden. Überall auch da, wo die Natur und damit unsere eigene Lebensgrundlage bedroht ist.

Eines wird mir immer klarer: Wer Christsein aufs Beten beschränken will oder wer einem nahelegt, man solle sich doch lieber um das „Seelenheil der anvertrauten Schäfchen“ kümmern als um Politik der hat vor allem eines im Sinn: dass sich nichts ändert an den bestehenden Verhältnissen. (…) All das ist für mich aber nicht vereinbar mit der Boschaft Jesu, die in ihrem Kern zum Umdenken aufruft. (S. 127)

Danke, Burkhard Hose, für dieses engagierte, intelligente, persönliche Plädoyer für ein tätiges, politisches, engagiertes Christentum! Ich kann es jedem nur empfehlen, der oder die manchmal an der Kritik zu verzweifeln droht. Jedem und jeder, die sich einsetzt für andere oder zumindest dieses unbestimmte Gefühl nicht los wird, dass es mehr zu tun gäbe, als für Flüchtlinge/die Armen/die Umwelt zu beten und ab und zu mal online eine Petition zu unterschreiben. Ich kann es auch denen empfehlen, die der Meinung sind, die Kirchen sollten sich aus der Politik heraushalten. Sie werden vielleicht ihre Position nicht ändern, sie werden sich an diesem Buch reiben und sich darüber ärgern, aber auch sie sollten sich mit den biblischen Argumenten in diesem Buch auseinandersetzen.

Ein ausgesprochen inspirierendes und packendes Buch, das persönlich geschrieben und auch noch hervorragend zu lesen ist. Ich bin froh, dass wir in ökumenischer Gemeinsamkeit hier unterwegs sind. Darum:

Mischt euch ein. Seid laut!
 

Kuschelpunkte

Buchinformationen

Burkhard Hose: Seid laut! Für ein politisch engagiertes Christentum. Gebundene Ausgabe, 144 Seiten, Vier-Türme-Verlag 2018, ISBN 978-3-7365-0155-3, 18,00 € E-Book: 13,99 €

Ich finde es gut, wenn Christen sich engagieren. Aktiv sind, nicht passiv. Warum sollten nur Atheisten oder Agnostiker sich am politischen Diskurs beteiligen (dürfen)?! Politik und Weltanschauung lassen sich ja (in einer Person) auch kaum trennen; vielmehr basiert das eine auf dem anderen: Ein SPD-Politiker kann Christ sein; ein CDU-Wähler kann Atheist sein.

Was mir aber missfällt, ist der Eindruck, der medial immer mehr entsteht. Nämlich dass Christlich = Links sein bedeutet. (Links = Christlich, und damit göttlich) Hier sehe ich Ersatzideologien am Werk, die innerhalb der Kirche immer mehr Raum nehmen. So manche Predigt klingt eher wie ein politisches Statement (natürlich vorsichtig und sanftmütig verpackt), als eine Predigt über Gott. - Dahingehend kann ich den Vorwurf des "Kernkompetenzen-verlassens" verstehen und sogar bejahen.

PS: Der Name "Kuschelkirche" ist klasse!! :-)) Kreative Idee!